Kurz vor Weihnachten stimmt eine Mehrheit aus CDU, AFD und FDP für die Einführung einer Bezahlkarte für geflüchtete Menschen. Die Anträge von SPD und Grünen auf die Einführung zu verzichten wurden damit abgelehnt. Das es überhaupt zur Abstimmung darüber gekommen ist, hätte der Bürgermeister Michael Ruttner anscheinend gerne vermieden. Wie beim Thema Sporthaus war die Devise Geschwindigkeit und möglichst wenig Beteiligung des Stadtrats.

Es war aus meiner Sicht ein trauriger Abend. Nicht, weil man in der Sache unterschiedlicher Meinung sein kann – das gehört zur Demokratie dazu. Sondern weil sich gezeigt hat, dass Argumente, Zahlen und der gesunde Menschenverstand nichts mehr zählen, wenn Ideologie und Symbolpolitik das Ruder übernehmen.

Fakten statt Bauchgefühl

Auf Betreiben der SPD-Fraktion stand ein sogenanntes „Opt-Out“ zur Abstimmung. Damit sollte die Möglichkeit genutzt werden, die das Land NRW den Kommunen ausdrücklich gegeben hatte. Die Möglichkeit nämlich, nicht bei der Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber mitzumachen. Warum? Nicht aus Träumerei, sondern aus harter Realität. Wir sprechen in Horn-Bad Meinberg aktuell von 30 bis 40 leistungsberechtigten Personen, es sind wahrscheinlich derzeit sogar noch weniger. Die Mehrheit davon lebt schon eine ganze Weile in Deutschland und hat längst eigene Basiskonten, über die allgemein Überweisungen und der Lebensunterhalt laufen.

Schaut man sich die Erfahrung mit der Einführung der Bezahlkarte in Deutschland an, dann kann man dort interessantes finden. Die Einführung der Karte ist für eine kleine Stadt wie Horn-Bad Meinberg ein bürokratischer Mehraufwand gegenüber dem bisherigen Verfahren. Statt automatisierter Überweisungen müssten unsere Verwaltungsmitarbeiter künftig jeden einzelnen Zahlungsempfänger – sei es der Sportverein oder der Telefonanbieter – händisch freigeben. Dazu kommen Anträge auf Erhöhung des Bargeldanteils von standardmäßig 50 Euro mit Verweis auf Härtefallregelungen. Das allein wird Verwaltungszeit kosten und ist in Zeiten von Personalmangel schlichtweg unverantwortlich.

Bürgermeister Ruttner: Information nach Gutsherrenart 

Dass die Bezahlkarte nun zum 1. Januar 2026 eingeführt wird, ist beschlossene Sache. Wie dieser Prozess ablief, hinterlässt jedoch erneut einen schlechte Eindruck. Der Bürgermeister Michael Ruttner informierte den Rat erst am 9. Dezember im Haupt- und Finanzausschuss über den Startschuss am 01.01.2026. Manche Ratsmitglieder konnten das Vorhaben der Presse entnehmen, andere erst im Protokoll des Haupt- und Finanzausschuss nachlesen.

Eine offene Diskussion wurde so effektiv und nach meiner Überzeugung mit voller Absicht unterbunden. Ein besonders schlechtes Licht auf das Handeln des neuen Bürgermeisters wirft die Tatsache, dass noch im Frühjahr 2025 von der Verwaltung abgeraten wurde die Bezahlkarte schnell einzuführen. Man wollte die Fristen voll ausnutzen und zunächst einmal die Erfahrungen der lippischen Kommunen abwarten, um die Sache dann erneut zu bewerten.

Im Rat wurde dahingehend von einer informellen Vereinbarung des aktuellen Fraktionsvorsitzenden und damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des AFST Dr. Martin, der Verwaltung und der stellv. Fraktionsvorsitzenden und damaligen Vorsitzenden des AFST Sabine Beine berichtet, die Einführung der Karte vorerst nicht weiter zu betreiben und zu einem späteren Zeitpunkt neu zu bewerten. Dieser Darstellung wurde während der Ratssitzung nicht widersprochen.

Bezahlkarte statt Bargeld
Mehr als 50 Euro Bargeld im Monat gibt es mit der Bezahlkarte nicht mehr.
Bild von Michael Schwarzenberger

Schon System oder noch in der Lernphase?

Mit dem Wahlsieg des CDU-Kandidaten für das Bürgermeisteramt änderte sich die Haltung. Die Bezahlkarte sei unter den TOP 10 Prioritäten im Wahlkampf gewesen. Und bereits Mitte November, zu einem Zeitpunkt als der neue Bürgermeister bereits seine Amtsgeschäfte aufgenommen hatte, der neue Rat jedoch noch nicht konstituiert war, wurden die Rahmenverträge mit dem Land NRW zur Einführung der Bezahlkarte unterschrieben.

Es ist milde gesagt schlechtes Verwaltungshandeln, dass ähnlich wie beim Sporthaus der Rat und die Öffentlichkeit über diesen Schritt nicht informiert wurde. Gerade auch weil der Rat hier die Möglichkeit hat Nein zu sagen. Das sich die Haltung der Verwaltung zur Bezahlkarte geändert hat, musste zwingend auch dem Rat mitgeteilt werden. Aus meiner Sicht hat der Bürgermeister hier gegen die Rechte des Rats verstoßen. Transparenz jedenfalls sieht anders aus. Wer so agiert, will keine Lösungen, sondern vollendete Tatsachen schaffen.

Nun ist der Bürgermeister, dass möchte ich hier deutlich sagen, erst seit kurzem im Amt. Die ersten Wochen zeigen einen Amtsträger, der Elan und Tatendrang vermitteln will. Er möchte die Themen schnell entscheiden und ebenso schnell umsetzen. Daran ist nichts auszusetzen. Auch der SPD-Kandidat ist mit dem Versprechen angetreten Dinge anzupacken und schneller in die Umsetzung zu kommen. Schnelligkeit allein, ob nun inszeniert oder nicht, ist jedoch nicht genug. Ebenso wichtig ist die demokratische Beteiligung. Möglicherweise muss der neue Bürgermeister diese Balance erst noch lernen.

neue Normalität? CDU und AfD erneut im Gleichschritt

Wie auch schon in der ersten Ratssitzung zeigt sich im Verlauf und Ergebnis der Debatte, dass die CDU Mehrheiten mit der AfD bei den Themen findet, wo sie bei den anderen Parteien auf Kompromisse angewiesen wäre. Ob es nun um Personen geht wie bei der ersten Ratssitzung oder um Themen wie die Bezahlkarte. Die AfD ist gerne bereit sich von der CDU normalisieren zu lassen. Die CDU wiederum hat hier in Horn-Bad Meinberg scheinbar keine Probleme damit Mehrheiten mit Vertretern einer rechtsextremistischen Partei in Kauf zu nehmen, die laut Verfassungsschutz bestrebt ist unser freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen. Das ist noch keine offene Zusammenarbeit. Abgrenzung ist es aber auch nicht.

Dass auch die stellvertretende Bürgermeisterin während der Debatte Narrative bediente, die einem Generalverdacht gleichkommen, hat mich sehr verwundert. Da wurde argumentiert, man könne mit der Bezahlkarte in unserer Kleinstadt die internationale „Schlepperkriminalität“ bekämpfen. Zudem bräuchte die Verwaltung einen „genauen Überblick“, wofür das Geld ausgegeben wird. Staatliche Kontrolle wird hier der Vorrang vor Integration gegeben. Das ist das Gegenteil von dem pragmatischen Miteinander, das wir hier vor Ort brauchen und sehr bedauerlich.

Sehr schade auch, dass dieses Thema nicht im Vorfeld wie einmal angedacht im Fachausschuss diskutiert werden konnte. Damit beraubten wir uns allen die Möglichkeit Argumente nicht nur auszutauschen, sondern auch gegenseitiges Verständnis herzustellen. Auch hier zeigt sich die CDU entgegen anderslautender Aussagen nicht bereit im Vorfeld das Gespräch zu suchen.

Fazit: Teuer erkaufte Symbolpolitik

Wir bekommen nun ein System, das wir nicht brauchen, das unsere Verwaltung belastet und Integration eher behindert als fördert. Es ist ein Sieg der Ideologie über die Vernunft, die Kommunalpolitik für die Menschen in der Stadt leiten sollte. Zugleich ist es exemplarisch für die neue politische Realität in unserer Stadt, sowohl was die Mehrheitsverhältnisse im Rat angeht, als auch die Amtsführung des neuen Bürgermeisters.

Der CDU steht es selbstredend frei zu entscheiden wie sie es für richtig hält. Sowohl der Bürgermeister, als auch die CDU-Fraktion haben es jedoch nicht vermocht nachvollziehbar zu erklären, warum die Einführung dieses Systems einen Mehrwert für die Stadt Horn-Bad Meinberg darstellt. Ebensowenig waren Sie in der Lage die Befürchtungen zu entkräften, dass die Bezahlkarte zu Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen führt. Dafür hätte es aber einer Beratung in den zuständigen Ausschüssen bedurft. Darin wird derzeit nur bedingt eine Notwendigkeit gesehen.

Es gilt jedenfalls genau hinzuschauen. Wie hoch wird der Aufwand für unsere Verwaltung tatsächlich sein? Welche Auswirkungen hat das auf die Menschen bei uns hat.