Mit der überraschenden Ankündigung der Verwaltung weitere Unterkünfte geflüchtete Menschen in der Tillestraße in Horn in Form von Wohncontainern zu errichten, ist eine Debatte über die Aufnahmefähigkeit der Stadt entbrannt. Bestimmt wird diese Debatte insbesondere von dem Wunsch aus Teilen der Bevölkerung keine weiteren Menschen mehr aufzunehmen.
Informationen stehen am Anfang nicht am Ende
Wenn Entwicklungen sich abzeichnen, welche die Stadtgemeinschaft betreffen, ist es Aufgabe von Verwaltung und den politisch Verantwortlichen eine Antwort für diese Entwicklungen zu erarbeiten. Und während die Verwaltung den gesetzlichen und finanziellen Rahmen, die Zuständigkeiten und verwaltungstechnischen Abläufe im Blick hat, sind es die politisch Verantwortlichen, die die Interessen, Fragen, Sorgen und Probleme der Bevölkerung im Blick haben.
Die Entwicklung einer Antwort auf bestimmte Entwicklungen erfordert am Anfang vor allem Informationen. Dabei hat die Verwaltung zumeist einen Informationsvorsprung gegenüber dem politischen und vor allem dem öffentlichen Raum. Diesen Informationsvorsprung gilt es so schnell wie möglich abzubauen. Politischer Raum und Öffentlichkeit müssen frühzeitig informiert werden. Erst dann ist ein für alle möglichst transparenter Entscheidungsprozess möglich, der den politisch Verantwortlichen und der betroffenen Bevölkerung die Möglichkeit der Beteiligung bietet.
Debatten gehen entscheidungen voraus
Selbstverständlichkeiten brauchen nicht ausgesprochen werden, doch lohnt es diese ins Gedächtnis aller Entscheidungsträger zu rufen. Es braucht die politische Debatte bevor Entscheidungen von den dafür gewählten Entscheidungsträgern getroffen werden. In dieser Debatte gilt es sich über alle Informationen und die Interessen aller Beteiligter auszutauschen, diese einzuordnen und auch zu beurteilen. Geführt werden sollte diese Debatte in formalen Gremien ebenso wie in informellen Formaten, zwischen gewählten Stadtverordneten und sachkundigen Bürgern ebenso wie zwischen Bürgerinnen und Bürgern der Stadtgemeinschaft, unabhängig davon ob nun direkt oder indirekt betroffen.
Das ist anstrengend, aber unabdingbar. Es ist das Wesen der Demokratie. Gelingen kann dies jedoch nur, wenn Debatten mit Respekt voreinander geführt werden. Mit Respekt vor dem anderen Menschen, mit Respekt vor dem berechtigten Interesse, mit Respekt vor dem Argument. Wer auch immer dazu nicht in der Lage ist, disqualifiziert sich selbst im demokratischen Diskurs und kann nicht erwarten von allen anderen ernst genommen zu werden.
wir befinden uns am Anfang der Debatte
Am Ende einer Debatte, nachdem die Sachlage geklärt, alle Argumente ausgetauscht und gewichtet wurden, fällt eine Entscheidung. Eine Gewichtung der Argumente führt entlang transparenter Entscheidungskriterien, basiert auf einer klaren Wertorientierung. Nur so erklärt sich, dass am Ende einer Debatte unterschiedliche Ergebnisse stehen können. Unterschiedliche Ergebnisse trotz gleicher Sachlage und der Kenntnis aller Argumente. In einer Demokratie entscheidet am Ende die Mehrheit darüber, welche Argumente schwerer wiegen. Eine solche Entscheidung und die Kritik daran zu tolerieren ist in einer demokratischen Gesellschaft die größte aller Leistungen.
In der Frage nach der Unterbringung geflüchteter Menschen befinden wir uns am Anfang der Debatte. Auch wenn manche sich bereits mittendrin wähnen, andere die Debatte am liebsten in ihrem Sinne beenden möchten, befinden wir uns erst am Anfang. Es fehlt allen Beteiligten an Informationen, um diese Debatte auf einer gemeinsamen Sachlage zu führen. Der Informationsvorsprung der Verwaltung muss erst beseitigt werden. Fundamental, dass die Debatte auf derselben Grundlage geführt wird. Einer Grundlage, die nahezu unwidersprochen von allen akzeptiert wird. An diesem Punkt sind wir nicht.
Informieren, Debattieren, Entscheiden
Die Informationsveranstaltung am 05.09.24 um 18 Uhr im Rathaussaal ist ein erster wichtiger Schritt. Im Anschluss kann man mit recht sagen, dass wir uns alle auf demselben Informationsstand befinden, eine gemeinsame Grundlage haben. Anschließend kann die Debatte um die Unterbringung von geflüchteten Menschen tatsächlich beginnen. Dann wird die Stadtgemeinschaft in der Lage sein auf die Sache bezogen Interessen zu artikulieren und Argumente auszutauschen. Dann wird die Stadtgemeinschaft in der Lage sein Argumente abzuwägen und zu entscheiden. Vorausurteile, die die Sachlage in Teilen verzerrt wiedergeben sind dabei wenig hilfreich.
Eine Grundlage dieser Debatte, die von einem von Teil der Stadtgemeinschaft ignoriert wird, steht aus meiner Sicht jetzt bereits fest. Die Fragestellung kann nicht das ob, sondern nur das wie und wo sein. Alles andere liegt in der Zuständigkeit anderer Ebenen wie Kreis und Land. Fest steht auch, dass dies keine leichte Debatte werden wird. Meine Befürchtung ist, dass sich viele nicht an demokratische Spielregeln und Debattenkultur halten werden. Zu stark sind die Emotionen bei diesem Thema, zu stark das Urteilsvermögen von Teilen der Stadtgemeinschaft getrübt durch Angst.
Im Bewusstsein der Fehler, die gemacht wurden, gilt es dieser Debatte einen Neustart zu geben. Der Standort mag von der Verwaltung favorisiert werden, entschieden ist das jedoch noch nicht. Dafür braucht es alle Informationen und eine offene Debatte über mögliche Alternativen. Was dann am Ende herauskommt kann zu diesem Zeitpunkt nur offen sein.